Woody Allen

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Con Trai
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Whatever Works – Liebe sich wer kann (2009)
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Eigentlich eine Kombination wie aus dem Bilderbuch, aus dem Lehrbuch, Woody Allen und Larry David vereint, einer hinter der Kamera, einer vor ihr, eine seltene Combo auch, mit Sehenswürdigkeit, mit Exklusivität. In der Kürze liegt die Würze wieder, die 90 min Laufzeit nicht vollgemacht, knapp darunter geblieben, dafür großtönend angefangen, mit Singsang, mit Written and Directed by Woody Allen. David hier nur als Darsteller, nicht selber als Schöpfer, es wird über Karl Marx, über das Judentum, über die Anständigkeit von Menschen diskutiert und debattiert, eine Stammtischrunde, es gibt Kaffee vor dem Straßenrestaurant, es gibt ein Credo hier, Hauptsache: Es funktioniert. Die Vierte Wand wird wieder durchbrochen, der Zuschauer angesprochen, "Wieso wollen Sie überhaupt meine Geschichte hören?", es ist kein angenehmer Zeitgenosse hier, es ist New York im Sommer, es finden sich viele Idioten, einer macht Selbstgespräche, er spricht uns an, er hat viel zu reden, es ist ihm ein Bestreben.

Von der Kindheit wird angefangen, vom Vater und seinem 'Abgang', es wird Kurtz zitiert, "Das Herz der Finsternis", Apocalypse Now, über Suizidale Gedanken, gequält von Erinnerungen und Träumen, David wendet sich der Kamera zu. Um Glück und Verbitterung geht es hier, von einem speziellen Individuum, ein Mann mit Medikamenten, die er nicht einnimmt, und dafür Panikattacken 4 Uhr morgens schiebt. Eine Affäre ist in der Ehe schon gelaufen, die Frau mal fremdgegangen, schon lange her, es war nur Sex. Theoretisch war es ideal, das Leben ist die Praxis, es wird nach Downtown geblickt, wovon soll man leben, wozu soll man leben, warum soll man leben, ein Festbeißen an einem Punkt, dann ein neuer Punkt gefunden, verzerrte Meinungen, aggressive Aktionen, es wird mit Beleidigungen um sich geworfen, radikale Ansichten, dazu ein großes Orchester, ein Geburtstag gefeiert bzw. so getan als ob, zusätzlich eine Obdachlose aufgenommen, für einen Abend eigentlich nur, für 2h geplant, für etwas zum Essen, Vom Winde Verweht das neue Thema hier.

Allen schreibt im Wulst, schreibt sich einen Wolf, eine Dialogkomödie und eine Monologtragödie, er hätte die Hauptfigur auch spielen können, er hat sich aus dem Film bildtechnisch herausgehalten, wie auch aus einigen vorherigen und noch folgenden, anderen Darstellern die Chance zum Scheinen gegeben, gerne eine prominentere Besetzung zum Verwildern und Verwöhnen. Die Wohnung ist ganz schick eingerichtet, für die Verhältnisse, sie ist ein bisschen verlebt, sie ist verwohnt, es wird mit Sarkasmus und Zynismus agiert, mit Aggression, mit Unfreundlichkeit; er wird zum Stadtgespräch, in seiner Kommune zumindest, durch die Obdachlose interessant für seine Kumpels, der alte Mann und der junge Mensch.

Das Schicksal hat an die Tür geklopft, eindeutig, zweideutig, mehrdeutig, es wird überzogen gespielt, bei Evan Rachel Wood klappt es, bei vielen anderen (wie Patricia Clarkson als Mutter bspw.) eher nicht. Die Zeit vergeht, die Situationen ändern sich, die Stadt wird als "dekadent" bezeichnet, die Wohnung als "Rattenloch", ein Film voller Macken, voller Allergien, mit lautem Klamauk und lauter Klamauk, mit schockierenden Fakten. Die nachfolgenden Arbeiten von Allen waren leiser, selbst Midnight in Paris (2011), der im Grunde nur eine Idee hat, die Prämisse nämlich, und sonst eher Nichts ist; das Werk hier lebt von etwas einfachen Flair, von kleinbürgerlichem Milieu, von den Nebenstraßen, von New York als Lebensmittelpunkt, später wird nach Europa gegangen und dort die Hauptstädte begutachtet und darüber sinniert. Gegessen wird oft draußen, auf dem Bürgersteig, selbst Donald Trump als Wachsfigur gezeigt, neben dem Papst, Mohandas Karamchand Gandhi und Reagan, eine passende Mischung, so passend wie der Film, Gut und Schlecht sinnlos durcheinander gewürfelt.

Die Wohnung wird langsam voll und voller, dazu eine gewisse Paranoia, ein voranschreitendes Geschehen, es wird das Japan Film Festival besucht, die Nebenfiguren deutlicher betrachtet, eine zweite Paarung angefangen und eingewebt, dafür ist die Ästhetik der Fotografie zu vernachlässigen, der Film sieht selten nach etwas aus, die anderen sind zuweilen narrativ auch dünn, aber formell höchst attraktiv; "geniale naive Kunst", ohne "exotische Genüsse", keine "Hommage an die Lust.", dafür "pessimistisches Trübsal als Weisheit", und zu guter Letzt ein Pluspunkt, Henry Cavill, ein gutaussehender Sympathikus.

Kurzfassung: Eher Scheiss.
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Con Trai
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Irrational Man (2015)
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Erlösende Momente durch Freude und/oder Vergnügen gibt es hier auch, es geht um den irrationalen Mann, er blickt auf sein Leben zurück, er erzählt viel über sich und lässt sich bewundern, den jungen Mädchen vor allem gegenüber, er lebt von seiner Faszination, das Drama selber produziert, die Lobeshymnen werden von anderen aufgenommen oder abgelehnt. Ein Geschlechterkrieg entsteht hier im Nebenher, die Studentin hat einen gleichaltrigen Freund, der nichts mehr hören will über den Neuen. Es geht um kurze Affären, um die Liebe, um das einfach Wahre, die kurze Ablenkung des Orgasmus, die nicht lange genug anhält um durch das Leben fernab von anderen Freuden und Freunden zu kommen. Worauf Allen hinaus will, weiß man hier noch nicht, nicht in den ersten Minuten, nicht in den weiteren Erzählungen, es geht um Heidecker und Faschismus, genau das, was noch fehlt in der Welt, außerdem eine Schreibblockade, das Schreiben als Atmen gesehen, eine Muße gebraucht, die Lösung einer Blockade, sich dem Mann an den Leib geworfen, an seinen Lippen gehangen, dem Freund geht das Thema an die Nieren, er äußert seine Sorgen mehrfach, er wird ungehört, währenddessen der Mann selber impotent und alles andere als eine Granate im Bett ist. Einmal findet eine Party der jüngeren Leute statt, zu denen er eingeladen wird, er sitzt bloß in der Ecke herum, es wird eine Pistole herumgereicht, es gibt aus Pappbechern Alkohol, es geht um das High sein, es wird eine existentielle Lektion beim Russisch Roulette geboten.

Eine 50/50 Chance ist mehr, als die meisten Menschen im Leben bekommen; solche Sätze werden hier erwähnt, die Bücher ein Triumph des Stils, nicht der Substanz, man mag die Komplexität und die Kompliziertheit, der Schmerz und die Sensibilität und die Innovation des Denkens, es geht um die "kreativen Säfte zum Fließen" zu bringen, es wird Geflirtet und das Flirten analysiert, es will geholfen werden, es werden Vorschläge gemacht, die das Leben beeinflussen und Erfahrungen herstellen und widerrufen, es wird sich im Bedrückt Sein entrückt. Einmal geht man an den Klippen spazieren und schaut auf das Meer hinaus, Allen zeichnet sich ein Universum von Personen, von Leid und Verzweiflung und Bezweiflung, er hat überwiegend, aber nicht ständig Phoenix im Fokus, der Film gehört natürlich trotzdem ihm, er trägt seinen Namen, mal wird einem fremden Gespräch und dies länger zugehört, es geht um eine Trennung, eine Scheidung, um das Sorgerecht, um die Befangenheit des Richters; der Professor macht sich dazu seine eigenen und diesmal sehr morbiden Gedanken. Eine Klavierstunde weiter ist man immer noch berauscht von der Herausforderung, man fühlt sich lebendig durch die Vorstellung eines perfekten Mordes, man spricht darüber, im kleinen vertrauten Kreise, das Leben zurückgekehrt durch eine Zufallsbegegnung und der imaginären Beschäftigung mit einem Verbrechen, eine offenkundige Veränderung, eine Wiedererweckung, ein Anpacken statt des Herumjammern, ein Hoch statt ein Tief, es wird geflirtet gar wieder, Allen filmt das, die Landschaft, die Menschen in ihr, die Dialoge intuitiv, es wird der Spätsommer gezeigt, der Beginn vom Herbst, es wird geliebt und diesmal funktioniert 'es', gleich mit zwei Frauen, unterschiedlichen Alters, und dies nicht gemeinsam, "Menschen füllen ihre Einsamkeit mit Klatsch.", es wird der Richter ausspioniert, observiert, eine Obsession betrieben, das fällt selbst der Studentin auf, auch dies erzählt sie uns, Allen schreibt ihre Gedanken auf und lässt uns daran teilhaben, am Glück und am Zufall, an der Liebe und den Affären, an den Träumen und den Plänen, am Spiegelkabinett mit den Zerrspiegeln, vorne die Menschen, hinter das Glitter und der Glitzer.

Zwischendurch wird eine Notbremse gezogen, aus offensichtlichen Gründen, viel zu spät dafür, schon längst die Punkte überschritten; auf der einen Seite zwei Leben studiert, auf der anderen Seite studiert, wie man ein Leben auslöscht, den perfekten Mord, einen mit Gift und Zyankali übrigens, einen getreu der Krimischriftsteller und die der Autoren von Spionageliteratur begeht. Beide Themen werden ab einem gewissen Punkt gleich behandelt, mit derselben Wichtigkeit, schleichen sich im Nachhinein in die Prämisse, getreu und Verderben, ein Crime mit eingeführt, wie Scoop - Der Knüller oder auch Broadway Danny Rose, wie Manhattan Murder Mystery oder Bullets over Broadway, ein neues Lebenselixier im konkreten Vorhaben, die Laufroute des Richters streng nachverfolgt, vom Gedanken zur Tat geschritten, dem Täter direkt ins Gesicht geschaut, Phoenix – in einer Paraderolle – mit dem entscheidenden, nicht siegesgewissen Gesichtsausdruck, eine makabre, paradoxe Situation, ein Schwelgen in Gedichten, im Kerzenschein und in romantischen Gefühlen sowie Momente post-leidenschaftlicher Intimitäten. Sex kommt hinzu als Sinnverleihung, die kreativen Kräfte fließen, die vorherige Depression wird als grotesk im Nachhinein gesehen, eine "verrückte Geschichte". "Ich hab jetzt keine Zeit für eine verrückte Geschichte, aber wir sehen uns noch, ja?" Die Gespräche sind besser und vor allem wichtiger und wandlungsreicher als bei vielen anderen 'neueren' Werken von Allen, man hat einen richtigen Aufhänger, man hat ein Ritual, man hat ein Thema, welches man nicht gleich von vornherein im Kommen und Entwickeln sieht, "Die Polizei ist uns da bestimmt weit voraus.", es geht um Abwehrhaltungen und Fantasien, um Theorien und Disharmonien.
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Cassandras Traum - Cassandra's Dream (2007)
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Viel geht hier den Bach hinunter, in mehrerlei Dingen, vom Boot wird dann nicht mehr gesprochen, auch nicht mehr gezeigt, "Cassandras Traum", eine kurze Auszeit, auf größer gemacht, als man es sich leisten kann. Um Kapitalismus auf andere Art und Weise geht es hier, um Familie, um Bruderschaft, um 'Blut ist dicker als Wein', es wird offenbart und gebeichtet, der Onkel als Kurzbesuch, um Geld angepumpt und auf Knien angekrochen kommend, es wird Schaumschlägerei betrieben, Luftschlösser gebaut, es wird sich entblößt vor dem Bruder des Vaters, es donnert, es fängt an zu regnen. Allen hält die Gespräche für seine Art und Weise knapp und knapper, es wirkt gar nicht wie ein typischer Film von ihm, er erweist sich 'bloß' als geschickter Filmemacher, er zeigt die Männer in Schwierigkeiten, mittlerweile derer drei an der Zahl, alle in Risiken eingegangen, die Grundsätze infrage gestellt, alle drei mit dem Rücken zur Wand, "Er will, dass wir ihn umbringen!", ein Bewegen auf unbekannten Terrain, ein Crime angedacht, die Tragweite ausbreitend in die schiere Unmöglichkeit, die Grenzen gebogen, nicht brechend, ein Tag der zerschlagenen Hoffnungen, für alle drei Beteiligten.

Ab dem zweiten Drittel ist die Katze aus dem Sack, man steht vor einem Problem, es wird an die Gelegenheit herangegangen, ein Thriller (ähnlich zu Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead, 2007) mit leisen Tönen, mit längeren, ruhigen Einstellungen, mit beiden jungen Männern im Blick, oft zusammen, selten einzeln. Die Brüder sind unterschiedlich, eine unterschiedliche Männlichkeit gezeichnet, um richtig oder falsch gestritten, alles durch das Mikroskop betrachtet, die Kleinigkeiten im Augenschein, sich das Opfer mal unter Beobachtung gezogen, es gibt wenig tröstliche Antworten und viele drängende Fragen, zwischendurch wird geblufft und gleichzeitig Schwäche und wenig Stärke gezeigt, man hat nur drei Wochen Zeit für den Job; die eingespielten Szenen aus dem Theaterstück geben dem Film eine zweite Ebene, neue Metaphern und Analogien, eine wunderbare Verdorbenheit, "Arbeiterklasse, aber Klasse", und: "Was haben denn die Herren hier soviel zu bereden? Plant ihr etwa ein Attentat?"

Charaktere sind die Stärke des Filmes, beide Brüder gleich wichtig, die Frauen weniger, sie sind mal da und mal nicht, auch der Rest der Familie wird nur bei Gelegenheiten gezeigt, Farrell und McGregor tragen das Werk auf ihren Schultern, sie haben die Belastung und den Auftrag, dies zu ändern, den Kurs zu wechseln und auch mal gegen den Wind zu segeln,, sich komplett anders als bislang zu geben und darzustellen, Grenzen zu überschreiten, allein schon der Gedanke daran ist für Beide abschreckend genug, das Ausbaldowern erst recht, obwohl man sich noch auf der theoretischen Fährte befindet, ein Gedankenspiel, nicht so überzeugend wie in Irrational Man (2015), wo man aufblühte und das Leben wieder genoss, während man den 'Abgang' eines anderen Menschen plante, hier ist man aus anderem Schrot und Korn; und die Frist wird kürzer, "Heute Abend, geht klar.", ein Thriller erzeugt, mit Motivationen und Stärken und Schwächen der Handelnden als Füller. Dabei lässt man sich Zeit für seine Personen, ihre Zeichnung, die Umstände, die Situation, die Nachfragen, "Was ist, wenn es einen Gott gibt?", "Was ist, wenn wir zu zornig waren?", das Herz pumpt, "Ach, Terry, wir sind am Arsch.", das große Thema Leben, Egoismus, Eigenleben in einem Satz zusammengefasst, die Stränge zusammengeführt, das Wesentliche zusammengerafft.
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