Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich den finden soll. Boyle bleibt experimentierfreudig, das auf jeden Fall. Er unterläuft Erwartungen, was irgendwo spannend ist. Das Ding wurde auf iPhones geknipst, was in der Theorie edgy klingt, aber in der Praxis aussieht, als wäre es aus dem Rucksack gefilmt. Das Bild ist blurry, matschig und irgendwie dauerhaft neben der Schärfe. Keine Ahnung, wie man das mögen kann.
Thematisch will das Ganze wohl als Brexit-Kommentar verstanden werden, was okay ist, aber halt auch die Tiefe eines Teelöffels hat.
Die Boyle/Garland-Kollaborationen haben alle dieselbe Krankheit: Es beginnt spannend, mit guter Ausgangslage, um dann im dritten Akt komplett abzusaufen. Das war in The Beach so, das war in Sunshine so, das war in 28 Days Later so und das ist nun auch hier mitnichten anders.
28 Days Later hatte zu Beginn dieses unangenehme Apokalypsen-Roadmovie-Flair mit neuartigen Zombies. Unheimlich, roh, brutal. Aber sobald
Gleesons Figur ins Gras gebissen hat
und die Armee-Schnullis auftauchen, ist’s vorbei, und der Film kippt in die grob schematische "Der Mensch ist das schlimmste Monster von allen"-Trope.
In 28 Years ist der Ofen aus, sobald klar wird, dass
dank dem "Wunder der Plazenta", Infizierte jetzt auch unbefleckt Kinder kriegen können, die nicht infiziert sind. Wer denkt, alberner wird’s nicht mehr, wird enttäuscht. Die Zombiemama erhält Geburtshilfe von Comer, kurzzeitig ist alles nichtig und händchenhaltend wird ein gemeinsamer Mutter-Moment zelebriert. Irre.
Und es geht direkt weiter: Colonel Kurtz aka Ralph Fiennes mit Jodkomplex ist gar nicht so plemplem, wie anfangs gedacht, sondern stattdessen zu einem Vollblut-Humanisten mutiert, der aus Langeweile Leute verkocht und ständig in Latein daherfabuliert. Dass er dem Steroid-Mutanten mit Monstercock dann noch einen Namen gibt, ist da kaum mehr verwunderlich.
Das wirft am Ende mehr Fragen auf, als es beantwortet, und wird im nächsten Teil wohl als Vorgeschichte durchdekliniert werden. Also eigentlich nur ein überlanger Trailer.
Das Finish dann mit dem unerwarteten Stilbruch, als
plötzlich die Jimmy-Saville-Teletubby-Crew
aufmarschiert. Man wähnt sich erst im falschen Film, ist aber gleichzeitig doch neugierig, wie die Chose wohl weitergehen soll.
6.5/10